Toxische Beziehungen
Inhalt:
Die Selbstunsichere Persönlichkeit und ihre Beziehungen
Letzlich ist jede Heilung eine Befreiung von Angst. Um das zu bewerkstelligen, könnt ihr eurerseits nicht ängstlich sein. Ihr versteht Heilung aufgrund eurer eigenen Angst nicht.
(ein Kurs in Wundern)
Ich möchte hier erst einmal einen kurzen Abriss über Persönlichkeitsstörungen geben. Danach möchte ich im speziellen die Selbstunsichere Persönlichkeit mit ihren Beziehungsmustern, speziell im Hinblick darauf, warum solche Menschen sich gern Narzissten als Partner wählen und toxische Beziehungen dann oft das Resultat sind.
Ich werde hier später nur noch den Begriff selbstunsichere Persönlichkeit verwenden, obwohl hierzu auch Menschen mit einer dependenten Persönlichkeit gehören und die Übergänge meistens fließend sind.
In Gegensatz dazu steht die narzisstische Persönlichkeit, die ich später der Einfachheit halber nur noch nennen werde, obwohl hier auch noch die anderen Störungen der Cluster B Störungen gehören, wie die histrionische, die dissoziale und die Borderline-Persönlichkeitsstörung.
In der Praxis hat sich aber gezeigt, das die meisten schwer toxischen Beziehungen mit narzisstischen Partnern entstehen. Der Grund ist einfach: Dissoziale Persönlichkeiten gehen kaum Partnerschaften ein, histrionische Persönlichkeiten sind eher nur nervig und Borderline Persönlichkeiten haben starke Stimmungsschwankungen wirken sich aber nicht so toxisch aus.
Was eine narzisstische Persönlichkeit so gefährlich für einen Partner macht ist: Mangelnde Empathie und Mitgefühl, Manipulation und Liebesunfähigkeit.
Hier also erst einmal ein Überblick über die verschiedenen Persönlichkeiten:
Die depressive Persönlichkeit
Wie bereits in einem anderen Beitrag angemerkt, hat Freud noch das Bild der depressiven Persönlichkeit der der narzissischen Persönlichkeit gegenübergestellt. im ICD-10 gibt es die depressive Persönlichkeitsstörung nicht und ist wohl in die Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung eingeflossen.
(dazu ist anzumerken: „depressive Persönlichkeit“ hat nichts mit einer in pathologischem Sinne gemeinten „Depression“ zu tun. Eine Depression ist ein eigenes Krankheitsbild, mit depressiver Persönlichkeit ist gemeint, das sich derjenige „in sich“ zurückzieht.)
Die Außenwelt hat für depressiv strukturierte Menschen nur wenig Aufforderungscharakter. Haben sie Ansprüche an die Umwelt, werden diese nicht direkt geäußert, stattdessen demonstrieren sie Leiden, um so die Erfüllung ihrer Bedürfnisse (beispielsweise Versorgungswünsche) zu erreichen. Dies wird von der Umwelt oft als stummer Vorwurf gedeutet (passiv fordernd).
Der Wunsch nach Liebe eines Objektes kann so stark sein, dass sich depressiv strukturierte Menschen aufopfern oder ihre Lebensmöglichkeiten zu Gunsten anderer stark einschränken. Sie wirken jedoch fürsorglich, warmherzig, bescheiden und selbstlos. Hinter ihrer Bescheidenheit verbirgt sich Aggressionen, die aber als depressive Gefühle erlebt werden und/oder in Form von Selbstvorwürfen auftreten. Depressiv strukturierte Menschen können sich schlecht von den Anforderungen und Zumutungen anderer abgrenzen und werden oft ausgenutzt (nicht
„Nein-Sagen“ können).
Ihre Grundangst ist die Angst vor dem verlassen werden und dem Alleinsein. Um dies zu vermeiden, sind sie süchtig nach Nähe – sie sind „Nähe-Junkies“.
Die Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
Die selbstunsichere oder ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung ist mit einer Häufigkeit von 3-5% in der Allgemeinbevölkerung verhältnismäßig verbreitet. Die betroffenen Menschen sind schüchtern, fühlen sich gehemmt und unsicher in vielen zwischenmenschlichen Situationen und isolieren sich aus Angst vor negativer Bewertung, Kritik oder Zurückweisung. Sie stehen nicht gerne im Mittelpunkt und haben Schwierigkeiten vor Menschen zu sprechen. Sie erleben sich selbst als minderwertig und meiden daher Kontakt zu anderen Menschen. Von anderen Menschen hingegen werden sie häufig als Freunde und Helfer geschätzt, weil sie oft sensibel, feinfühlig und rücksichtsvoll sind.
Die Abhängig/Dependente Persönlichkeitsstörung
Menschen mit dependenter oder abhängiger Persönlichkeitsstörung haben das Gefühl, ihr Leben nicht eigenständig führen zu können. Sie brauchen immer eine Person, die sie unterstützt und ihnen wichtige Entscheidungen abnimmt. Aus Angst, diese Bezugsperson zu verlieren, ordnen sie sich dem Partner unter und äußern eigene Gefühle oder Bedürfnisse nicht. Dieses „Klammerverhalten“ ist jedoch häufig der Auslöser für Beziehungsprobleme. Da Menschen mit dependenter Persönlichkeitsstörung anhänglich, zuverlässig, hilfsbereit und treu sind, werden sie als gute und zuverlässige Freunde geschätzt. In einem stabilen Umfeld kommen betroffene Menschen häufig lange Zeit problemlos zurecht; eine Veränderung der Lebenssituation, z.B. durch Umzug, Trennung, Tod des Partners oder andere Umstände kann jedoch zu einer psychischen Krise führen.
Im ICD-10 sind nun die Persönlichkeitsstörungen zu Hauptgruppen oder Clustern zusammengefasst:
Die Hauptgruppe B fasst unter den Stichworten „dramatisch, emotional, launisch“ die histrionische, narzisstische, dissoziale und die Borderline-Persönlichkeitsstörung zusammen.
Anzumerken ist, das im ICD-10 Psychopathie als Diagnose nicht enthalten ist. Der Grund ist wohl, das Psychopathie als Mischform verschiedener anderer Cluster B Persönlichkeitsstörungen angesehen wird.
In der Hauptgruppe C finden sich Persönlichkeitsstörungen, die Verhaltensmerkmale aus dem Bereich der Angststörungen aufweisen. Stichworte sind „selbstunsichere, abhängige und zwanghafte“ Persönlichkeitsstörung.
Nun ist es sehr oft so, das persönlichkeitsgestörte Menschen der Hauptgruppe B und der Hauptgruppe C sich anscheinend magisch anziehen. Dies ist schon oft untersucht und gut beschrieben worden. Der Grund liegt auf der Hand: Histrionische, narzisstische oder psychopathische Charaktäre brauchen selbstunsichere und abhängige Charaktäre zur Selbststabilisierung wie auch umgekehrt. Der eine braucht den gebenden, der andere den nehmenden.
Bindungsangst
Ich habe einmal den schönen Satz gelesen: Nicht alle Bindungsängstler sind Narzissten, aber alle Narzissten sind Bindungsängstler.
Bindungsangst ist die Angst vor Nähe. Jeder Mensch ist im Spagat zwischen dem Bedürfnis nach Freiheit und Sicherheit gefangen.
Wirklich problematisch wird es aber, wenn wir gar keine nahe Beziehung zu Menschen mehr eingehen können, weil wir Angst vor Nähe haben. Wo diese Angst herrührt, darauf werde ich später noch eingehen. Wer schon einmal mit einem Narzissten/Narzisstin zu tun hatte, wird obrigen Satz bestätigen können: Narzissten haben eine panische Angst vor zu viel Nähe und tun alles, damit eine Beziehung nicht zu eng wird. Man sagt auch: Narzissten bleiben immer Singles innerhalb einer Beziehung.
In diesem Artikel soll es sich aber nicht hauptsächlich um Narzissen drehen, dazu gibt es einen anderen Beitrag. Ich möchte die Situation der selbstunsicheren Persönlichkeit beleuchten.
Die vorherrschende Meinung und die Selbstsicht der selbstunsicheren Persönlichkeit ist: Ich will ja so dringend eine schöne, liebevolle Beziehung, mein Partner sabotiert das aber. Die Gründe sind vielfältig, ich möchte speziell hier den Aspekt der Bindungsanst untersuchen.
Die einfache Frage am Anfang wäre: Warum gehen so viele selbstunsichere Persönlichkeiten Bindungen zu Narzissten ein, wo doch hier augenscheinlich am wenigsten zu holen ist? Warum sucht sich ein Selbstunsicherer nicht einfach einen gut bindungsfähigen Partner?
Ein zu nennender Aspekt ist: Auch die selbstunsichere Persönlichkeit hat eine Bindungsangst. Die des Narzissten ist eine aktive Bindungsangst, die der selbstunsicheren Persönlichkeit ist passive Bindungsangst. Ist der Narzisst/in ständig damit beschäftigt, sich den Selbstunsicheren vom Leibe zu halten, kann der Selbstunsichere ihm hinterherlaufen und sein Selbstbild des Liebesbedürftigen erhalten. Leid ist ihm nicht fremd und Kampf um Liebe und Anerkennung wurden von frühester Kindheit erlernt. „Ich muß um Liebe kämpfen“, ist ein Leitsatz des Selbstunsicheren.
So kann er Liebe nur annehmen, wenn sie ihm/ihr nicht geschenkt wird, sondern erkämpft werden muß. Um Liebe zu kämpfen, ist ein Paradox. Liebe kann nur geschenkt werden und je mehr ich um sie kämpfe, desto mehr zieht sich unser geliebtes Objekt zurück. Das kann aber nicht gesehen werden, das wir diesen Kampf brauchen. (ich spreche hier in der wir Form, da ich mich selbst als selbstunsicher sehe). Ein bindungssicherer Partner ist nicht akzeptabel, da wir ihn idr. nicht lieben können.
Der Glaubenssatz ist hier: Ich bin nicht liebenswert, wie sollte mich also ein akzeptabler Partner lieben können (wenn ich nicht darum kämpfe)? Jemand der mich so liebt wie ich bin, kann selber nicht liebenswert sein.
Das ganze nennt sich dann passive Bindungsangst. Ich renne ständig nicht verfügbaren Partnern hinterher, weil ich jemanden, der mich liebt, nicht akzeptieren kann.
Das ist eine bittere Erkenntnis und ich selber habe lange dazu gebraucht um sie zu akzeptieren. Aber wenn du (wenn du ein/eine Selbstunsichere bist) deine Beziehungshistorie betrachtest, wirst du sicher feststellen, das da schon einige waren, die du verstoßen hast, weil du ihnen nicht hinterherrennen konntest. Wir finden dann gern Argumente, um das nicht wahrhaben zu müssen: Zu klein, zu dick, zu ungebildet, die Chemie stimmt nicht usw. (Das kann natürlich stimmen, ist aber oft nicht der Fall, der wahre Grund ist meist oben genannter).
Lösungswege
Zuerst einmal ist das bewußte durchleben einer toxischen Beziehung und deren Ende eine einschneidende Erfahrung, die vieles verändert. Der fürchterliche Schmerz, der damit verbunden ist, kann sehr viel bewirken. Wenn du die Chance nicht vergibst, aus diesem Schmerz zu lernen, kann er dir das Tor zu dir selbst öffnen. Dein großer Vorteil gegenüber einen Narzissten ist, das Ihn/ihr dieser Weg versperrt ist. Sie sind dazu verdammt, immer so weiter zu machen. Du kannst aufgrund deiner Struktur reflektieren, also nutze diese Chance! Versuche nicht alles möglichst schnell zu verdrängen und zu deiner Normalität zurückzukehren.
Der Schmerz den du empfindest, ist eine einmalige Chance, deine Muster zu erkennen, einen Blick tief in dich zu werfen, dein Leben zu reflektieren, zu dir zu finden.
Ich sehe es in dieser Phase als eher destruktiv an, sich mit positivem Denken möglichst schnell wieder zu normalisieren.
Wie also aus diesem Dilemma herauskommen? Der Königsweg ist Selbstliebe. Wenn ich mich selbst so liebe wie ich bin, werde ich auch die Liebe eines anderen Menschen, der mich wirklich liebt, akzeptiern können und zurücklieben. Wie die Bibel sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Aber leichter gesagt, als getan. Ich kann nicht einfach beschließen, mich von nun an zu lieben und dann ist alles gut. Der Psychologe Christian Hemschemeier bietet hierzu einen Kurs an: Die Umprogrammierung des Liebeschips. Es ist so eine Sammlung von Übungen, um Selbstliebe zu trainieren. Geht das wirklich? Ich meine bedingt. Ein schöner Satz ist: „Fake it till you make it„. Er meint, ich kann erst mal so tun als ob, und irgendwann wird es die Realität. Das kann ein Stück weit funktionieren.
Was ist Selbstliebe nun eigentlich?
Viele Selbsthilfebücher und Kurse vermitteln:
- Ich muß etwas tun, damit es mir gut geht, mir etwas schönes kaufen, ein Eis essen gehen, im Wald spazieren gehen.
- Positive Affirmationen; Stell dich vor deinen Spiegel und sage dir das du toll bist.
- Meide Menschen, die dir nicht gut tun, deinem Selbstwert schaden.
Das kann alles gut und richtig sein, trifft aber den Kern nicht, den Grund, warum ich keine Selbstliebe entwickelt habe. Schauen wir uns das einmal etwas genauer an:
Eine Selbstunsichere Persönlichkeit entwickelt sich in der Kindheit, wenn das Kind keine Aufmerksamkeit, Liebe und Bestätigung erfährt. Der daraus resultierende Glaubenssatz lautet: Ich bin nichts wert, ich bin es nicht wert, geliebt zu werden, ich muß um Liebe kämpfen.
Das Resultat als Erwachsener in einer Beziehung zu anderen Menschen ist: Ich kann nicht glauben, das da jemand ist, der mich wirklich liebt. Ich habe Angst vor einer Beziehung, verletzt zu werden, wieder nicht geliebt zu werden.
Ich plädiere hier für einen spirituellen Ansatz. Viele Menschen haben zu Spiritualität keinen Zugang. Wir leben in einer Gesellschaft, die nur das glaubt was wir sehen und beweisen können. Spiritualität bedeutet, zu unserem Sein aus Körper, Geist (dem denkenden Bewußtsein) noch einen dritten Aspekt hinzuzunehmen: Den Glauben an etwas, das wir eine Verbindung zu einer universellen Macht bezeichnen könnten.
Die Korrektur des Mangels an Liebe
Erkenne zuerst, das dies eine Ausdrucksform von Angst ist.
Dann sage dir, das du irgendwie die Wahl getroffen haben mußt, nicht zu lieben, sonst hätte die Angst, die vom Konflikt zwischen Verhalten und Willen herrührt, garnicht entstehen können.
(ein Kurs in Wundern)
Was ist also das Grundproblem? Es ist meiner Ansicht nach Unbewußtheit. Fast alle Menschen leben mehr oder weniger unbewußt, nur macht diese Unbewußheit einigen Menschen (den „gesunden“) weniger Probleme, als denen die unter einer psychischen Störung leiden. Wenn ich kein Leidensdruck habe, gibt es kein Grund, etwas zu verändern. Wenn du einen Leidensdruck verspürst, wird deine Unbewußtheit mehr zu einem Problem. Du wirst immer unbewußter, weil du deinem Leiden zu entfliehen suchst. Der Kopf sucht nach einer Lösung, die dann oft so aussieht: Gönne dir mal wieder was, hör auf an den alten Scheiß zu denken, such dir eine Frau/einen Mann mit dem du endlich mal wieder Spaß haben kannst, lenk dich ab usw.
Und schwupps, schon hast du wieder den nächsten, die nächste Narzisst/in am Hals, weil du immer noch der/die selbe bist. Dein Sein, deine Ausstrahlung hat sich nicht verändert.
Dein Schmerz kann dir aber den Weg weisen. Ein toller Satz von Christian Hemschemeier: In der Dualität lernen heißt, das wir Liebe erst erkennen können, wenn wir „Nicht-Liebe“ erfahren haben. (…) Um wirklich eine hochwertige Beziehung zu führen, braucht es zwei sehr bewusste Partner.
Wenn du dich also noch in deiner passiven Bindungsangst befindest und nicht daran arbeitest, wirst du NIE ein Beziehung führen, die dich befriedigt, in der du glücklich bist.
Ein guter Weg, Bewußtheit zu erlangen ist: Lass den Schmerz auf dich wirken, verdränge nichts. Sieh dir deine Gefühle an, als wären es Gäste in deinem Haus. Schau dir an, wie du gelitten hast, schau dir an, wie du anderen Menschen Schmerz zugefügt hast, aber identifiziere dich nicht damit. Du bist nur der Beobachter. Verdränge nichts, lass alles zu. Es sind Gäste in deinem Haus, die du nicht rausschmeißen kannst, sie wüten und toben, sie demütigen dich, sie machen dich betroffen… es sind Gefühle. Du beobachtest nur….
Wenn du das öfter tust, wirst du merken, das sich deine Selbstwahrnehmung verändert. Du kannst eine Distanz zu deinen Gefühlen herstellen, von denen du glaubtest, das du das bist.
Danke für die Erklärung Versuche dir umzusetzen meine augenblickliche Trennung von meinem Freund wird mir dabei helfen klarer zu sehen LG birgit
Ganz ganz toller Text. Ich bin in einer Beziehung mit einer selbstunsicheren Person zu der ich der Gegenpol bin. Obwohl ich kämpfe wie ein Löwe, scheint der Zug abgefahren. Meine Partnerin hat nie über ihre wahren Bedürfnisse mit mir gesprochen. Am Ende kam eine Affäre, aber der Versuch in eine Normalität und in ein besseres Morgen zusammen zu starten gelingt uns nicht. Ich bin am Boden zerstört und kämpfe weiter für die Liebe von der ich dachte, dass sie echt war und an die ich auch wegen unserer zwei Kinder weiterhin daran glauben moechte.