EMV Elektroauto
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EMV Probleme im Elektroauto
Grosse Autokonzerne wie VW haben aktuell weniger Probleme mit der Akkuleistung (Reichweite) als vielmehr damit, das ihre neu entwickelten Fahrzeuge mal einfach stehen bleiben, und den Dienst verweigern. Kein Konzern sprichr gern darüber, aber die in modernen Autos verbauten über 60 Steuergeräte versagen gern ihre Funktion, wenn ein 400V Traktionssystem EMV Störstrahlungen im Fahrzeug aussendet. Was Konzerne wie VW kaum in den Griff bekommen, ist für den ambitionierten Laien, selbst wenn er eine fundierte eletronische Ausbildung erfahren durfte, ein noch viel größeres Problem. Ich will hier versuchen, diese „Geheimwissenschaft“ etwas greifbarer und praktikabel umsetzbar zu machen.
EMV Probleme, also Probleme mit der elektromagnetischen Verträglichkeit, hat man meistens, wenn schon alles fertig ist. Vorher macht man sich (also ich) kaum Gedanken darüber. Wenn dann allerdings beim losfahren die Elektronik aussetzt, sich der Motorcontroller nicht programmieren lässt, oder bestenfalls der Radioempfang streikt, dann schon!
Was ist EMV?
Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) bezeichnet die Fähigkeit eines technischen Geräts, andere Geräte nicht durch ungewollte elektrische oder elektromagnetische Effekte zu stören oder durch andere Geräte gestört zu werden.
EMV Probleme entstehen idr. durch elektromagnetische Störungen, die durch elektrische Wechselfelder hervorgerufen werden. Darüber hinaus gibt es noch elektrostatische Störungen und Blitzeinschlag, die wir hier aber unbehandelt sein lassen.
Problematische EMV Störstrahlungen die hier behandelt werden sollen:
- Elektrisches Wechselfeld
- Manetisches Wechselfeld
Das elektrische Wechselfeld wird auch kapazitive Kopplung genannt, da die Einkopplung vom Sender zum Empänger kapazitiv, also wie bei einem Kondensator erfolgt.
Das Magnetische Wechselfeld wird auch induktive Koplung genannt, da hier die Einkopplung vom Sender zum Empänger induktiv, also wie bei einer Induktivität erfolgt.
Das Problem
Bei meinem Kewet hat sich der Hersteller überhaupt keine Gedanken um das Thema gemacht. War auch nicht nötig: Keine Elektronik die zu stören wäre, kein Radio und kein CAN Bus.
Aber auch ein modernes Verbrennerauto zu elektrifizieren, kann dich vor kaum lösbare Probleme stellen. Der Grund: Die Topologie ist einfach nicht auf eine elektrifizierung des Antriebstranges hin entwickelt worden.
In einem komerziellen Elektroauto sind Hochvoltkomponenten strikt von der Niedervoltelektronik getrennt und abgeschirmt. Das dies Sinn macht, erfahren wir oftmals zu spät.
Wenn nun schon alles fertig verkabelt ist, ist der Frust enorm. Ich habe überall Kabel ohne Schirmung eingebaut! Sowohl die Hochstromkabel als auch die Datenleitungen. Zudem ein heilloses durcheinander bei den Masseverbindungen.
Durch die hohen Ströme von 200A und hohen Spannungen entstehen Störstrahlungen durch elektrostatische und magnetische Felder um die Kabel der Leistungselektrik und streuen in die Kabel der Busleitungen und Elektronik ein. So entstehen Störspannungen auf diesen Leitungen, die die Elektronik empfindlich beeinflussen können, bis hin zum Totalausfall.
Wie können EMV Probleme reduziert werden?
Generell gelten nachstehende Grundsätze, wenn man EMV Problemen aus dem Weg gehen möchte:
- Entstörkondensatoren an den Motorinvertereingang und an DC/DC Wandler.
- Signalleitungen und Busleitungen schirmen, also abgeschirmte Kabel verwenden, die an beiden Enden geerdet werden.
- Hin und Rückleitungen zu Verbrauchern (plus und minus) in einem Schirm zusammen (am besten noch verdrillt) an einem Ende erden.
- Hochvoltkabel und Signalleitungen getrennt verlegen, also einen möglicht großen Abstand einhalten.
- Minusleitungen nicht irgendwo mit dem Chassis erden, sondern nur genau 1x an der Traktionsbatterie mit einem entsprechend dicken Kabel so kurz wie möglich. Von diesem Punkt gehen alle Minusleitungen sternförmig ab. Werden Minusleitungen an verschiedenen Punkten geerdet, also auf das Chassis gelegt, entstehen Messeschleifen, über die Ströme induziert werden.
- Signalleitungen und Busleitungen an den Enden mit Ferriten entkoppeln oder „Common Mode Chokes“ verwenden.
Nachstehen wollen wir die obrigen Punkte etwas genauer betrachten:
Entstörkondensatoren
Motorinverter und DC/DC Wandler sind Geräte, die Ströme getaktet schalten. Dies erzeugt Störungen sowohl am Ausgang des Gerätes als auch am Eingang. Einige Entstörkondensatoren mit 0,2-10yF / 300V an den ein und Ausgängen zwischen + und – zu schalten, ist wohl die einfachste und preiswerteste Methode, um effektiv Spannungsschwankungen auf den Stromversorgungsleitungen zu reduzieren.
Die beiden Bilder zeigen ein Oszillogramm ohne jede Schutzmaßnahme an der Stromversorgung eines SEVCON GEN4 (im leerlauf) und eines nach dem Einsatz eines Kondensators (0,2yF).
Schirmung
Wie in der obrigen Grafik zu sehen ist, sind Datenleitungen und Signalkabel sowie Hochvoltkabel geschirmt. Hier entstehen bzw. werden die meisten Störungen eingestahlt.
Die gestrichelte 12V Masseleitung ist bei Systemen mit einer Hochvoltbatterie nicht erlaubt, hier muss die Hochvoltbatterie galvanisch von der Masse getrennt werden. Bei 48V Fahrspannung dürfen 12V und 48V eine gemeinsame Masse haben. Meines erachtens hat diese Konfiguration den Vorteil, das die Verkabelung einfacher ist. So muss keine extra Minusleitung für die Controller Signalleitungen geführt werden.
Worauf sollte bei einer Kabelabschirmung geachtet werden?
- Ein engmaschiger Schirm mit 95% Abdreckung.
- Eine wirkungsvolle Terminierung 360° um den Schirm, mit möglichst kleinem Widerstand zu GND.
- Bei Störungen durch ein elektrisches Wechselfeld Terminierung an einer Seite das Schirms.
- Bei Störungen durch ein magnetisches Wechselfeld Terminierung an beiden Seiten das Schirms.
EV Kabel
Wie bereits oben gesagt, sollten alle Kabel des Antriebsstranges geschirmt sein. Leider sind diese Kabel nicht ganz billig, aber man vermeidet eine menge Ärger, wenn man nicht auf die Schirmung verzichtet. Link: Lappkabel Ölflex FD90 CY
Signalkabel
Signalkabel und Busleitungsen sollten ebenfalls geschirmt sein. Hier macht eine Schirmung noch mehr Sinn, da die Kabel preiswerter sind und leichter zu verlegen sind als die sperrigen EV Kabel. Nach Möglichkeit sollten Signalkabel paarweise verdrillt sein!
Abstand!
Abstand zwischen Störstrahlern und Empfängern zu halten kostet nichts, ist aber oft aufwendig. Wie wirkungsvoll Abstand ist, soll nachfolgende Grafik zeigen.
Je dicker ein Kabel ist, desto mehr Abstand muss eingehalten werden (D/d)!
Die Grafik zeigt, das schon ein Abstand zu einem 10mm Traktionskabel von 20cm eine Dämpfung von 6dB zur Folge hat!
Twisted pair/verdrillte Leitungen
Bei Gegentaktströmen, das heißt, wenn in 2 Leitern der gleiche Strom zum Verbraucher hin- und wieder zurückfließt, ist eine wirkungsvolle EMV Maßnahme, verdrillte Leitungen zu verwenden. Bei CAN Bus Leitungen ist dies z.B. vorgeschrieben.
Getrennte Stromleitungen
Jedes Gerät sollte seine eigene Spannugsversorgungsleitung erhalten. Wenn man die Stromversorgung von einem anderen Verbraucher abzweigt, entstehen Störungen durch Spanungsschwankungen, die durch den Stromverbrauch des vorherigen Verbrauchers erzeugt werden.
Wenn das Kind nun schon in den Brunnen gefallen ist
Im Nachhinein lassen sich Fehler nur schwer und teuer korrigieren.
Kabelschirmung
Man kann alle Kabel austauschen, oder wie ich es gemacht habe, nachträglich mit einer Schirmung versehen. Dies sind Kupfergeflechte, die über die Leitungen gezogen werden. Danach sollte die Schirmung noch mit einem Gewebeklebeband geschützt werden.
EMV Ferrite
Durch EMV Ferrite an den Enden von Signalleitungen lassen sich Störungen weiter vermindern. Nachträglich lassen sich sogenannte Klappferite auf die Leitungen clipsen.
Die Ferrite bestehen aus einem Material, das die Leitungsinduktivität erhöht. Einfach gesagt, je höher die Induktivität, desto schlechter kommen hohe Frequenzen durch.
Ferrite sind jedoch kein einfaches Allheilmittel, da sie nur hohe Frequenzen filtern und außerdem auch die „Nutzsignale“ dämpfen.
Sevcon GEN4 spezifische Probleme
Wer einen Sevcon GEN4 in seinem Auto verwendet, dem dem möchte ich bei Problemen noch volgende Hinweise geben:
- Das Encoderkabel muss so kurz wie möglich sein. Es sollte ein mehradriges geschirmtes Kabel verwendet werden. Die inneren Adern sollten für die Geberversorgung und Gebermasse und die AB- oder UVW-Signale verwendet werden. Der Kabelschirm sollte an die Klemme B- angeschlossen werden.
- CAN Leitung: Die Kabelabschirmung sollte an die Klemme B- angeschlossen werden.
- Verwendung von abgeschirmten Kabeln für alle Steuerverbindungen, Signalkabel sollten einen Querschnitt von 0,5 mm2 aufweisen.
- Die Motorkabel schirmen und Steuerleitungen möglichst weit entfernt verlegen.
- Das Batteriekabel sollte abgeschirmt sein, wobei der Schirm mit dem Batteriegehäuse und dem Controllergehäuse verbunden sein sollte.
- Schütztreiber: Minimiere den Schleifenbereich, der durch den Schütztreiberausgang und die Schützversorgung + gebildet wird. Die Verwendung von verdrillten Kabeln reduziert die Emissionen. Die Verwendung eines abgeschirmten Kabels, bei dem die Abschirmung mit B- verbunden ist, reduziert die Emissionen weiter.
- Die Möglichkeit die Schützspannung im GEN4 einzustellen, sollte unter allen Umständen nicht genutzt werden. Hierbei wird das Schütz mit einer PWM Spannung angesteuert, die massive Störungen verursacht.
Link: CAN Bus spezifische Probleme
Weitere Quellen
Ein sehr gutes Handbuch, das näher auf die EMV Problemtik eingeht von Schneider Electric
EMV Grundlagen von TDK
Beitrag wird fortgesetzt….. hier der nächste Beitrag: CAN Bus im Elektroauto
Bei Fragen bitte die Kommentarfunktion nutzen!
Dies ist ein privater Blog. Brauchst du professionelle Hilfe zum GEN4, EMUS BMS, EV Umbau oder Programmierung? Dann bitte hier klicken!
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